Dipl.-Ing. Arch. Dieter Deichsel, Geschäftsführender Gesellschafter bei PLAN FORWARD —dem kreativen Tochterunternehmen der WOLFF GRUPPE, Stuttgart — im Interview mit BIM-Camp.
BIM-Camp: Was bedeutet BIM für ihr Büro?
Dieter Deichsel: Das Thema BIM haben wir schon seit längerem interessiert verfolgt und 2015 aus eigener Initiative schließlich die Entscheidung getroffen, BIM schrittweise in unser Unternehmen zu implementieren. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns nicht mehr die Frage gestellt haben, wann wird BIM eingeführt, sondern „wie“ möchten wir darauf vorbereitet sein. Als Unternehmen das seit 20 Jahren auf dem Markt besteht und auch weiterhin wettbewerbsfähig bleiben möchte, müssen wir Innovationen und damit verbundenen Veränderungen offen gegenüberstehen. Daher bedeutet BIM für uns Chance und Herausforderung zugleich. Die Vorteile einer BIM-orientierten Herangehensweise an Projekte liegen klar auf der Hand, doch dem gegenüber steht ein großer Schulungs- und Zeitaufwand. Trotzdem sind wir überzeugt, dass BIM-Erfahrung und -Kenntnisse für uns ein Wettbewerbsvorteil bedeuten. Jedoch geht die Aneignung von BIM-Kompetenzen nicht von heute auf morgen. Für uns war daher ein sorgfältiges und strukturiertes Konzept ohne Zeitdruck sehr wichtig, dass die vielen unterschiedlichen Komponenten des Geschäftsbetriebs berücksichtigte. So konnten wir mit überschaubaren Pilotprojekten Schritt für Schritt unsere Erfahrungen machen und eine BIM-Strategie entwickeln, welche wir mit Hilfe einer Roadmap umsetzten konnten. Um BIM-Potenziale umfassend und langfristig entfalten zu können sind weitergehende Schritte notwendig, die in unserer Roadmap berücksichtigt sind.
BIM-Camp: Was sind die zwei, drei größten Herausforderungen, die sich für Architektur- und Planungsbüros ergeben?
Dieter Deichsel: Die größte Herausforderung war zu Beginn das fehlende BIM-Know-how sowie der erhöhte Zeitaufwand in den BIM-Pilotprojekten. Das Erstellen einer passenden IT-Infrastruktur für die neuen Prozesse erforderte zudem einige Überlegungen und Testphasen.
Eine weitere Herausforderung ist es wirtschaftlich zu bleiben. Sicherlich muss erst einmal investiert werden, um die neuen Methoden und die neue Software einzuführen und umzusetzen. Doch für Architekten bedeutet der Aufbau eines Bauwerksdatenmodells einen erheblichen Mehraufwand in den ersten Leistungsphasen, dem bisher kein entsprechender Honorar-Ertrag gegenübersteht.
Des Weiteren herrscht zwar bei den Bauherren großes BIM-Interesse, allerdings steht dem gegenüber ein nicht ausgereiftes BIM-Verständnis. Zudem erstellen bisher nur wenige Fachplaner ein 3D-Modell, mit dem wir auch arbeiten können. Um aber erfolgreich im Sinne der BIM-Methode an einem Bauprojekt mitzuwirken, müssen auch alle Folgeunternehmen BIM-fit sein. Das bedeutet, dass Planungspartner sowohl aus den erforderlichen Fachdisziplinen, als auch von der Auftragsgeberseite die gleiche Bereitschaft aufbringen müssen, sich ein Verständnis für BIM-Prozesse anzueignen und Veränderungen anzunehmen. Das Denken in Netzwerken muss sich noch stärker etablieren.
BIM-Camp: Welche Auswirkungen hat bzw. wird BIM konkret auf ihre Arbeit haben? Was haben sie bisher getan, um BIM in ihrem Büro einzuführen? Welches Wissen und welche Fähigkeiten müssen zusätzlich für BIM aufgebaut werden?
Dieter Deichsel: Wie bei allen innovativen Ideen und dem Einführungsprozess dieser bleiben Investitionen in Form von Zeit und Geld nicht aus. Im Laufe der Implementierung haben wir BIM-fähige Software erworben und die Fähigkeit diese zu nutzen. Unsere Mitarbeiter nehmen regelmäßig an Weiterbildungen und Schulungen teil. Außerdem mussten wir unsere tradierten Arbeitsweisen hinterfragen und neugestalten, was zur Folge hatte, dass wir interne Strukturen geändert haben und sich daraus resultierend ein neues Rollenverständnis entwickelt hat. Zum Beispiel die Rolle des „BIM-Managers“, der die Anschaffung von neuer Hard- und Software plant, die Mitarbeiterschulungen koordiniert und besonders zu Beginn der BIM-Implementierung Ausschau nach geeigneten Pilotprojekten hielt. Zudem entwickelt er bürointerne BIM-Standards und Arbeitsabläufe und unterstützt bei dem Aufbau einer Bibliothek für Standardbauteile. Auch innerhalb eines BIM-Projektes legt ein BIM-Koordinator die projektspezifische BIM-Strategie fest.
Zusätzlich erweitern wir ständig unser BIM-Netzwerk, in dem wir an unterschiedlichen Veranstaltungen zu diesem Thema teilnehmen, als Gast oder Referent. Ziel ist es, Erfahrungen auszutauschen, Projektpartner zu gewinnen und anhand von neuen Informationen die bürointernen Prozesse zu optimieren.
Um mehr BIM-Nutzen zu generieren, haben wir ergänzend zu der notwendigen BIM-fähigen Software weitere digitale Werkzeuge erworben.
Mit der schrittweisen Einführung von BIM haben sich unsere Planungsprozesse vorteilhaft verändert. Die Daten stehen zunehmend gesammelt im Modell zur Verfügung und können mit dem Planungsfortschritt aktuell ausgewertet werden. Parallelwelten von bisher geführten Listen, Tabellen und Auswertungen nehmen weiter ab.
Mit Hilfe der 3D-Darstellungen und Simulationen konnten wir ein gesteigertes Projektverständnis bei allen Projektbeteiligten erzeugen. Dies führte zu schnelleren und präziseren Entscheidungen.
BIM-Camp: Wird BIM die Stellung der Architektur- und Planungsbüros in der Baubranche eher stärken oder eher schwächen? Wie? Wie wird sich das Geschäftsmodell der Architektur- und Planungsbüros durch BIM verändern? Oder ergeben sich keine Auswirkungen?
Dieter Deichsel: Durch die zunehmende Möglichkeit mit BIM, Planungsprozesse mehr digital/softwareunterstützt zu koordinieren und zu steuern, sollte es unser Ziel sein, diese Daten so aufzubereiten, dass die Baubranche damit arbeiten und darauf aufbauen kann.
Es wäre zum Beispiel denkbar, dass wir als Architekten wieder von Anfang an bis zum Ende den gesamten Informationsfluss steuern. Dies sollte uns hierbei stärken.
Andrerseits dürfte für Auftraggeber, Projektsteuerer und Generalübernehmer die Verlockung wachsen, dem Architekten Bereiche der Planung und Ausführung aus der Hand zu nehmen. Daher gilt es für uns eine BIM-Kompetenz aufzubauen, die einen großen Teil des BIM-Potenzials nutzen kann und somit für Auftraggeber attraktiv ist.
BIM-Camp: Welche Auswirkungen haben veränderte Umwelten, wie z.B. Wettbewerbssituation, Digitalisierung, Nachwuchsproblematik, auf die Führung und Organisation von Architektur- und Planungsbüros?
Dieter Deichsel: BIM ist ein Schritt der weiteren Digitalisierung in der Architektur und wahrscheinlich unumgänglich. Auf Dauer gesehen werden aber Architekturbüros mit BIM-Kenntnissen eher Wettbewerbsvorteile als -nachteile haben. Für Architekten gilt, dass Kreativität allein nicht ausreichen wird. Die Komplexität und das Anforderungsniveau steigen durch die Digitalisierung und müssen sinnvoll in die Architekturpraxis integriert werden. BIM ist ein geeignetes Tool, um diese Komplexität zu vereinen, denn erst die Kompetenz in der Umsetzung sichert die Profitabilität eines Architekturbüros. Das setzt eine BIM-Kompetenz voraus, die Mitarbeiter mitbringen müssen bzw. ein gewisses Interesse für Innovationen, und der Wille sich neue Werkzeuge anzueignen. Hier müssen wir als Architekturbüro mehr Zeit für den Schulungsaufwand einplanen, da an den Universitäten die BIM-Methode noch nicht ausreichend gelehrt wird. Ähnliches gilt für ältere Mitarbeiter, die vielleicht ihre gewohnte Arbeitsweis ablegen müssen.
BIM-Camp: In vielen Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen hat „Neues Arbeiten“ eine große Bedeutung. Stichworte sind u.a. Sinnzweck, Selbstorganisation, agiles Arbeiten, Scrum/Kanban, selbstbestimmtes Arbeiten, Retrospektiven, Barcamps. In wie weit spielen diese Themen in Architektur- und Planungsbüros eine Rolle?
Dieter Deichsel: Jüngere Mitarbeiter wollen immer weniger in den herkömmlichen Strukturen arbeiten.
Ein ausgeglichenes Verhältnis von Beruf und Freizeit und die bestmögliche Integration der Arbeit in das eigene Lebensmodell wünschen sich Mitarbeiter in den Architekturbüros genauso wie in anderen Branchen.
Durch die BIM-Einführung in unserem Büro wurden gewohnte Strukturen gebrochen und neu definiert. Dadurch konnten wir auch sicherlich an einigen Stellen die Arbeitsmethoden optimieren. Einige Ansätze der BIM-Methode entsprechen den Vorstellungen, die unter
„Neues Arbeiten“ verstanden werden – kontinuierliche, interne Kommunikation, Transparenz, Zwischenergebnisse statt abstrakte Klärungsphasen.
Eine Frage, die bei dem ganzen Thema Digitalisierung aufkommt und die jeder für sich selbst beantworten muss, lautet, wie abstrakt möchte man als Mitarbeiter für den Arbeitsgeber werden. Daher sollte hier Balance zwischen digital und menschlich ausgewogen bleiben.
BIM-Camp: Was könnten Architektur- und Planungsbüros von anderen Wirtschaftszweigen wie z.B. Digital- und Kommunikationsagenturen lernen?
Dieter Deichsel: Im Endeffekt sitzen wir im gleichen Boot, denn auch für Kommunikationsagenturen ist durch die Digitalisierung die Komplexität und das Anforderungsniveau gestiegen. Diese Komplexität zu bewältigen und trotzdem profitabel zu bleiben ist bestimmt auch in dieser Branche ein großes Thema. Und auch hier gilt, dass Kreativität allein nicht ausreicht, sondern die Umsetzung die Profitabilität einer Agentur bestimmt. Durch die Digitalisierung gibt es unzählige Medien und Formate, die bedient werden müssen und die beratende Funktion hat stark zugenommen. Was will man als Agentur erreichen – Beratung und gleichzeitig die Umsetzung oder spezialisiert man sich auf bestimmte Segmente? Im Falle der Gesamtaufgabe – gibt es hier ein Tool? In der Architektur soll es BIM werden.
Wenn man das Ganze betrachtet gibt es sicherlich Agenturen und Architekten, die den Prozess der Digitalisierung verstanden haben und sich bereits mit einer digitalen Strategie auf dem Markt etabliert haben oder noch dabei sind. Daher können wir von diesen Unternehmen lernen, für Innovationen und Veränderungen offenzubleiben und den Aufsprung auf den Zug der Digitalisierung nicht zu verpassen. Unabhängig von der Branche.
BIM-Camp: Angenommen, sie würden heute ihr Architekturbüro und Planungsbüro neu gründen. Wie sähe das in Zeiten von BIM aus?
Dieter Deichsel: Da uns die alten Strukturen nicht geläufig wären, würden wir losgelöst aller Zwänge mit einem großen Selbstverständnis die BIM-Arbeitsmethode anwenden und vor allem nicht hinterfragen.
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